Die Schülerschaft des Polnischen Schulvereins „Oświata“ in Berlin
Wenn über polnische Bildungsorganisationen geschrieben wird, rücken häufig ihre Geschichten, Organisationsstrukturen, Handlungsfelder sowie Schwierigkeiten und Erfolge in den Vordergrund. Wesentlich seltener wird über die Grundlage ihrer Arbeit, nämlich über die Schülerinnen und Schüler, berichtet.
Die Schülerschaft von PSV „Oświata“ besteht aus jungen Menschen im Alter von drei Jahren bis hin zur Volljährigkeit. Sie bilden nicht nur altersmäßig eine sehr heterogene Gruppe, sie tun es auch im Hinblick auf ihre polnischen Sprachkenntnisse. Das rührt daher, dass die Kinder und Jugendlichen aus verschiedensten Familienmodellen stammen, aus Familien mit einer einheitlichen nationalen Herkunft, aus kulturell und national gemischten Familien, aus Familien, in welchen viel Wert auf flüssigen Sprachgebrauch gelegt wird und aus Familien, denen es genügt sich in der jeweiligen Sprache verständigen zu können. Das bringt die Lehrer vor schwierige Herausforderungen, die allen Schülerinnen und Schülern einer Klasse ihre Aufmerksamkeit widmen sollen, dabei die einen fördern wollen und gleichzeitig den anderen Grundlagen vermitteln müssen. Beide Gruppen sind sehr ambitioniert und dennoch werden viele von ihnen sagen, dass das Lernen der polnischen Sprache kein Zuckerschlecken ist.
Die polnischen Unterrichtseinheiten finden in unserem Fall einmal wöchentlich am Nachmittag zwischen 16:30 und 19:00 Uhr i.d.R. nach dem regulären langen Schulunterricht statt. Es erfordert viel Motivation und Durchhaltevermögen, um sich für das Lernen anstelle von gemeinsamer Erholung mit Freunden zu entscheiden. Dabei spielen vor allem das Engagement der Eltern, die Lust der Kinder und Jugendlichen sowie die Gestaltung des Unterrichts durch die Lehrer die entscheidenden Rollen.
Jungen Menschen wird schnell bewusst, wie wichtig es heutzutage ist, mehrere Sprachen zu beherrschen. Anfangs merken sie, das die Sprache ihrer Eltern ihnen erlaubt, bei Besuchen in Polen nicht nur Zeit mit ihrer Familie sondern auch mit Gleichaltrigen zu verbringen, mit ihnen Fußball zu spielen, ins Kino zu gehen oder sich über verschiedene Themen auszutauschen und letztendlich auch neue Freunde zu gewinnen. Später erkennen sie, dass eine zusätzliche Sprache auch berufliche Vorteile mit sich bringen kann. Wir haben u.a. Absolventen, die gleichzeitig deutsches und polnisches Recht lernen oder Polonistik an deutschen und polnischen Universitäten studieren. Einer unserer Schüler erlebte dank seiner guten Polnischkenntnisse eine fantastische Gelegenheit bei einem Film mitzuwirken, indem er die Rolle des jungen Marcel Reich-Ranicki spielen durfte.
Unsere Schüler schätzen ebenfalls das formale und internationale Zeugnis der polnischen Sprachkenntnis. Viele von ihnen erlangten Sprachzertifikate in Polnisch als Fremdsprache auf dem mittelschwerem Sprachniveau B2. Doch wozu verhilft ihnen solch ein Zertifikat?
Die Note der Zertifikatsprüfung kann auf Wunsch hin auf dem deutschen Schulzeugnis aufgeführt werden. Das kann z.B. den Antritt zum Abitur erleichtern, wenn vorher keine andere zweite Fremdsprache erlernt wurde. Außerdem ist das Sprachzertifikat ein anerkannter Nachweis für die Kenntnis der polnischen Sprache, der ein Studium in Polen oder interessante berufliche Perspektiven auf nationaler oder internationaler Ebene ermöglicht. Unsere Schüler orientieren sich als junge, mündige und intelligente Menschen exzellent in der gegenwärtigen Welt und sind sich dieser Tatsachen bewusst.
Sie verspüren keine Angst vor der Zertifikatsprüfung. Das kommt daher, weil viele von ihnen regelmäßig an Sprachreisen sowie Literatur-, Rezitations- und Rechtschreibwettbewerben teilnehmen, die von dem Verein „Wspólnota Polska” (Polnische Gemeinschaft) und dem PSV „Oświata” organisiert werden. Zahlreiche nehmen auch an der Polnischen Spracholympiade teil, die seit Jahren in Deutschland stattfindet, wodurch sie ihr Wissen über Polen, dessen Geschichte und Literatur und vor allem ihren Wortschatz und freien Sprachgebrauch bereichern. Fähige, ehrgeizige und selbstständige Schüler, die die eindeutige Mehrheit im PSV „Oświata“ bilden, reagieren hervorragend auf sinnvoll angehobene Anforderungen im Unterricht. Sie fühlen sich dadurch wertgeschätzt und ernst genommen. Sie mögen es, Herausforderungen zu trotzen und wollen gerne ihr Wissen und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Von nichts anderem zeugt das Engagement einer recht großen Schülergruppe in dem Jugendtheater „Bez Paniki“ (Keine Panik) sowie ihre ins Deutsche übersetzte polnische Poesie und selbstverfasste Gedichte im Rahmen des Literaturwettbewerbs „Młodzież pisze wiersze“ (Jugend schreibt Gedichte). Darüber hinaus schätzen alle ihre in der polnischen Schule geschlossenen Freundschaften.
Auch die Lehrer haben trotz vieler Schwierigkeiten und Probleme, die beim Unterrichten einmal pro Woche entstehen, beim Anblick dieser tapferen, sich stets entwickelnden jungen Menschen, die ihre Meinung entschlossen vertreten, keinen Zweifel an dem Sinn der Arbeit, die sie verrichten.